Verhältnis zu anderen internationalen Übereinkommen

Die UN-Konvention zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen schließt eine bestehende Lücke in der Liste der international geächteten Taten, indem es die Vertragsstaaten verpflichtet, dieses Verbrechen unter Strafe zu stellen und die Lage der Opfer im Hinblick auf eine Wiedergutmachung und Entschädigung zu verbessern. Erstmalig in einem menschenrechtlichen Vertrag wird auch den Familien der Opfer ein eigenes Informationsrecht zugestanden. Außerdem wird, wie bei menschenrechtlichen Verträgen der UN üblich, ein Kontrollmechanismus durch einen Ausschuss über das Verschwindenlassen eingeführt.

Das Übereinkommen ist im Rahmen der Vereinten Nationen vorbereitet worden. Zu deren satzungsmäßigen Aufgaben gehört es, die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten im Rahmen internationaler Zusammenarbeit zu fördern und zu festigen (Artikel 1 Nummer 3 der Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945).

Bis zur Verabschiedung der UN-Konvention gegen das Verschwindenlassen von Personen gab es in den internationalen Menschenrechtsabkommen kein „human right not to disappear“, weder auf internationaler Ebene, noch auf regionaler – etwa europäischer Ebene. Ein spezifischer Schutz vor dem Verschwindenlassen existiert auch nicht in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, obwohl kennzeichnend für das Verschwindenlassen ist, dass eine Person mit ihrem Verschwindenlassen voll und ganz dem Schutz des Rechts entzogen ist, und obwohl das Verschwindenlassen eine ganze Reihe von Menschenrechten verletzt:

Bereits vor Verabschiedung der UN-Konvention gegen das Verschwindenlassen von Personen bestanden internationale Übereinkommen, in denen die betroffenen Menschenrechte vereinzelt enthalten sind und die auch in der Präambel zu dem Internationalen Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen erwähnt werden. Dazu gehören:

Allen diesen Übereinkommen ist gemeinsam, dass sie lediglich Teilakte des Verschwindenlassens unter ihren Schutz stellen, aber nicht das Phänomen als Ganzes erfassen.

Als Ganzes erfasst und ausdrücklich unter Strafe gestellt wird das Verschwindenlassen mit dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998, das am 1. Juli 2002 in Kraft trat. Unter den darin enthaltenen Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit in Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe i und Absatz 2 Buchstabe i fällt explizit die Praxis des Verschwindenlassens von Personen. Der Tatbestand setzt jedoch voraus, dass die Tat im Rahmen eines groß angelegten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung begangen worden ist. Außerdem verpflichtet das Statut die Vertragsstaaten nicht, das Verschwindenlassen auf nationaler Ebene strafbar zu machen.

Das inter-amerikanische Menschenrechtssystem kennt ein eigenständiges Instrument zum zwangsweisen Verschwindenlassen. Das inter-amerikanische Übereinkommen zum Verschwindenlassen vom 9. Juni 1994 (in Kraft getreten am 28. März 1996) ist der erste völkerrechtliche Vertrag, der den Schutz vor dem Verschwindenlassen verbindlich und umfassend in einem eigenen Übereinkommen normiert. Allerdings gilt das Übereinkommen als rein regionales Instrument in weiten Teilen der Welt nicht und nimmt selbst in der amerikanischen Region mit nur elf Ratifikationen keine herausragende Stellung ein.

Das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen ist somit der erste überregionale, völkerrechtliche Vertrag der Vereinten Nationen, der dem spezifischen Schutz vor dem Verschwindenlassen dient.

Dem Übereinkommen ging die Deklaration von 1992 voran. In ihr wurde erstmals umfassend der Schutz vor dem Verschwindenlassen in einem eigenen Regelungswerk normiert. Auf den dort vorgesehenen Regelungen baut das Übereinkommen im Wesentlichen auf. Anders als die Deklaration von 1992 ist das Übereinkommen indes verbindlich für die Vertragsstaaten. Auch besteht eine wesentliche Neuerung in dem umfassenderen Opferbegriff des Übereinkommens, das nicht nur die verschwundene Person selbst, sondern auch jede Person, die als unmittelbare Folge eines Verschwindenlassens geschädigt worden ist, also insbesondere Angehörige, als Opfer definiert. In der Deklaration von 1992 war auch noch kein eigener Überwachungsmechanismus vorgesehen.