„Verschwindenlassen“ in der deutschen Geschichte

Im heutigen Deutsch­land sind keine Fälle des Ver­schwinden­lassens von Personen bekannt. Aber dies war nicht immer so. Als einer der ersten weltweit reg­istri­erten Vor­fälle des Ver­schwinden­lassens gilt der soge­nan­nte „Nacht-und-Nebel-Erlass“ zur Zeit der nation­al­sozial­is­tis­chen Herrschaft. Und auch in der sowjetischen Besatzungszone und der frühen DDR sind entsprechende Fälle belegt.

Der „Nacht-und-Nebel-Erlass“

Das Oberkom­mando der Wehrma­cht gab am 7. Dezem­ber 1941 den Erlass her­aus, wonach in allen von Deutsch­land beset­zten Gebi­eten gegen Zivilper­so­nen, die eines “Ver­brechens des Wider­stands gegen die deutsche Besatzungs­macht” beschuldigt wur­den, nur dann Gerichtsver­hand­lun­gen durchge­führt wer­den soll­ten, wenn ein Todesurteil zu erwarten sei. Im anderen Falle soll­ten sie der Geheimen Staat­spolizei (Gestapo) zum Trans­port nach Deutsch­land aus­geliefert wer­den. Dort wur­den sie von Son­derg­erichten häu­fig zum Tode verurteilt und vielfach hin­gerichtet oder in Konzen­tra­tionslager deportiert, ohne dass ihre Fam­i­lien von den Depor­ta­tio­nen und dem weit­eren Verbleib ihrer Ange­höri­gen erfuhren. Anlass für diesen menschenverachtenden Erlass war die Überlegung, dass hierdurch längerdauernde öffentliche Prozesse in den besetzten Ländern, insbesondere in Frankreich, verhindert werden konnten, um dem Gegner keinen Ansatzpunkt für antideutsche Propaganda zu geben.

Diese geheime “ Richtlinien für die Verfolgung von Straftaten gegen das Reich oder die Besatzungsmacht in den besetzten Gebieten“ ist in der Neuzeit die wohl erste schriftlich festgehaltene Anweisung an staatliche und militärische Organe, die ein systematisches staatliches Handeln zum Verschwindenlassen mißliebiger Personen belegt. Ihr fielen nachweislich 6.639 Personen aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Norwegen zum Opfer, die des Widerstands verdächtigt worden waren, in 340 Fällen wurden Todesurteile ausgesprochen und die Verschleppten hingerichtet.

Im dienstlichen Sprachgebrauch des Reichsjustizministeriums wurden hierfür die Begriffen „NN-Sache“ und „NN-Häftling“ verwendet (NN = nullum nomen = namenlos).

Wurden hierfür zunächst Sondergerichte in Kiel, Köln, Dortmund und Berlin – später auch in Breslau, Hamm und Essen – eingerichtet, wurden diese „Fälle“ ab 1942 auch vor dem Volksgerichtshof unter Ausschluss jeglicher Öffentlichkeit verhandelt. Herr dieser Verfahren waren nicht die Richter, sondern der jeweilige Staatsanwalt, der Verfahren einleiten und aussetzen konnte und auch die (theoretisch mögliche) Bestellung eines Verteidigers genehmigen musste. Letzlich war der Prozess aber nur eine Farce, denn auch bei Freisprüchen oder nach Verbüßung einer geringen Haftstrafe blieben die Betroffenen zur „Vernebelung“ bis Kriegsende in Haft. Die Haft wurde zunächst in abgeschirmten Bereichen bestehender Gefängnisse in Schlesien vollzogen, ab September 1944 begann die Verlegung in die Konzentrationslager Hinzert, Natzweiler und Groß-Rosen.

Die Häftlinge unterlagen einer vollständigen und ausnahmslos durchgesetzten Kontaktsperre, selbst bei Tod oder Hinrichtung erhielten die Angehörigen keinerlei Nachricht..

Verschwindenlassen in der Sowjetischen Besatzungszone

Die Praxis des Verschwindenlassens mißliebiger Personen war mit der Kapitulation Nazi-Deutschland 1945 noch nicht zu Ende. Auch für die Sowjetische Besatzungszone ist die Existenz von Speziallagern belegt, in denen Personen isoliert wurden und für die Öffentlichkeit wie auch für ihre eigene Familie verschwanden.

Opfer dieser stalinistischen Maßnahmen wurden nicht nur Bewohner der Sowjetischen Besatzungszone, sondern auch solche aus den Westsektoren Berlins. Schätzungen sprechen von bis zu 150.000 Opfern, die in diesen Speziallagern verschwanden.

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