Die UN-Konvention gegen das Verschwindenlassen von Personen trifft in ihren Artikeln 15 und 24 Regelungen zu den Opfern und setzt damit die Forderungen aus Artikel 19 der Deklaration von 1992 um.
Artikel 24 Absatz 1 der UN-Konvention bestimmt den Opferbegriff. Die dort niedergelegte weite Definition ist ein wesentliches Element des Übereinkommens. Es wird nicht nur die verschwundene Person selbst, sondern vielmehr jede natürliche Person, die als unmittelbare Folge eines Verschwindenlassens geschädigt worden ist, als Opfer definiert.
Explizit entschied man sich gegen eine Differenzierung nach „direkten“ und „indirekten“ Opfern. Durch die Ausweitung
des Opferbegriffs auf Personen, die durch das Verschwindenlassen einer anderen Person geschädigt sind, gelang es, eine diesbezüglich bestehende Lücke im geltenden Völkerrecht – die insbesondere nahe Familienanhörige hart traf – zu schließen.
Artikel 24 Absatz 2 der UN-Konvention gewährt allen Opfern erstmals ausdrücklich das Recht, die Wahrheit über das Verschwindenlassen zu erfahren, und verpflichtet die Vertragsstaaten, die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um diesen Zweck zu erfüllen.
Außerdem enthält Artikel 24 Absatz 3 der Konvention eine Generalverpflichtung der Vertragsstaaten, alle geeigneten Maßnahmen im Hinblick auf die Suche nach der verschwundenen Person, die Ermittlung ihres Aufenthaltsortes, ihre Freilassung und im Falle ihres Todes im Hinblick auf die Ermittlung, Achtung und Überführung ihrer sterblichen Überreste zu treffen.
Nach Artikel 25 Absatz 4 und 5 der UN-Konvention gegen das Verschwindenlassen von Personen müssen die Vertragsstaaten den Opfern des Verschwindenlassens ein Recht auf Wiedergutmachung und auf Entschädigung gewährleisten, wobei Artikel 25 Absatz 5 der Konvention im Einzelnen den Umfang des Schadensersatzes und andere Arten der Wiedergutmachung regelt. Der Grundsatz der Staatenimmunität bleibt hierbei jedoch unberührt. Das deutsche Recht sieht in diesen Fällen den Amtshaftungsanspruch des § 839 BGB in Verbindung mit Artikel 34 GG vor.
Desweiteren sind die Vertragsstaaten nach Artikel 24 Absatz 6 der UN-Konvention verpflichtet, hinsichtlich der Rechtsstellung der verschwundenen Person und ihrer Angehörigen – z. B. hinsichtlich der sozialen Sicherung – die geeigneten Maßnahmen zu treffen.
Und schließlich müssen die Staaten nach Artikel 24 Absatz 7 der UN-Konvention das Recht auf Bildung von Organisationen und Vereinen gewährleisten, deren Ziel es ist, das Verschwindenlassen aufzuklären und Opfer zu unterstützen. Außerdem enthält dieser Absatz das freie Recht auf Beteiligung an solchen Vereinen und Organisationen.
Darüber hinaus verpflichtet die UN-Konvention gegen das Verschwindenlassen von Personen ihre Vertragsstaaten in ihrem Artikel 15 zu gegenseitiger Hilfe bei der Unterstützung der Opfer des Verschwindenlassens.
So müssen sich die Vertragsstaaten in größtmöglichem Umfang Hilfe gewähren
- bei der Unterstützung der Opfer,
- bei der Suche nach verschwundenen Personen,
- bei der Ermittlung ihres Aufenthaltsortes,
- bei ihrer Freilassung sowie
- im Falle ihres Todes bei der Exhumierung, Identifizierung und Überführung der sterblichen Überreste.
Auf diese Weise soll eine wirksame Kooperation der Vertragsstaaten zur Unterstützung der Opfer begründet werden.
Im Gegensatz zu Artikel 15, der die Zusammenarbeit der Staaten betrifft, enthält Artikel 24 Absatz 3 der UN-Konvention Vorgaben für die Umsetzung innerhalb eines Staates.
Artikel 15
Die Vertragsstaaten arbeiten zusammen und gewähren einander im größtmöglichen Umfang Hilfe zur Unterstützung der Opfer des Verschwindenlassens und bei der Suche nach verschwundenen Personen, der Ermittlung ihres Aufenthaltsorts und ihrer Freilassung sowie im Fall ihres Todes bei der Exhumierung, Identifizierung und Überführung ihrer sterblichen Überreste.…
Artikel 24
(1) Im Sinne dieses Übereinkommens bezeichnet „Opfer“ die verschwundene Person sowie jede natürliche Person, die als unmittelbare Folge eines Verschwindenlassens geschädigt worden ist.(2) Jedes Opfer hat das Recht, die Wahrheit über die Umstände des Verschwindenlassens, den Verlauf und die Ergebnisse der Untersuchung und das Schicksal der verschwundenen Person zu erfahren. Jeder Vertragsstaat trifft die zu diesem Zweck geeigneten Maßnahmen.
(3) Jeder Vertragsstaat trifft alle geeigneten Maßnahmen im Hinblick auf die Suche nach verschwundenen Personen, die Ermittlung ihres Aufenthaltsorts und ihre Freilassung sowie im Fall des Todes im Hinblick auf die Ermittlung, Achtung und Überführung ihrer sterblichen Überreste.
(4) Jeder Vertragsstaat gewährleistet den Opfern des Verschwindenlassens in seiner Rechtsordnung das Recht auf Wiedergutmachung und auf umgehende, gerechte und angemessene Entschädigung.
(5) Das Recht auf Wiedergutmachung nach Absatz 4 umfasst den Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens sowie gegebenenfalls andere Arten der Wiedergutmachung wie
- die Restitution;
- die Rehabilitation;
- die Genugtuung einschließlich der Wiederherstellung der Würde und des Ansehens;
- die Garantie der Nichtwiederholung.
(6) Unbeschadet der Verpflichtung, die Untersuchung bis zur Aufklärung des Schicksals der verschwundenen Person fortzuführen, trifft jeder Vertragsstaat die geeigneten Maßnahmen in Bezug auf die Rechtsstellung verschwundener Personen, deren Schicksal noch nicht aufgeklärt worden ist, und die ihrer Verwandten, unter anderem hinsichtlich der sozialen Sicherung, finanzieller Angelegenheiten, des Familienrechts und der Eigentumsrechte.
(7) Jeder Vertragsstaat gewährleistet das Recht auf Bildung von Organisationen oder Vereinen, deren Ziel es ist, dazu beizutragen, die Umstände der Fälle von Verschwindenlassen und das Schicksal der verschwundenen Personen aufzuklären sowie Opfer des Verschwindenlassens zu unterstützen, und auf freie Beteiligung an ihnen.