In ihrem Artikel 25 trifft die UN-Konvention gegen das Verschwindenlassen von Personen spezielle Regelungen zum Schutz von Kindern, um eine Lücke im bestehenden verbindlichen Völkerrecht zu schließen. Mit dieser Regelung nimmt das Übereinkommen den Kinderschutzgedanken von Artikel 20 der Deklaration von 1992 auf.
Da Kinder besonders schutzbedürftig sind, verpflichtet Artikel 25 der Konvention die Vertragsstaaten, nicht nur die unrechtmäßige Entziehung oder die Identitätsverschleierung von Kindern zu bestrafen, sondern auch eine aktive Familienzusammenführung zu betreiben. Dabei müssen sich die Vertragsstaaten gegenseitig unterstützen.
Um Kinder umfassend vor dem Verschwindenlassen zu schützen, müssen die Vertragsstaaten Adoptions- bzw. Unterbringungsüberprüfungsverfahren vorsehen und gegebenenfalls jede Adoption oder Unterbringung, die auf einem Verschwindenlassen beruht, aufheben.
Am Ende der Bestimmung ist festgehalten, dass das Wohl des Kindes bei allen Regelungen vorrangig zu berücksichtigen ist und dass die Meinung des Kindes unter Berücksichtigung von Alter und Reife bei der Entscheidung miteinbezogen werden muss. Das Wohl des Kindes ist dabei so zu verstehen wie im Übereinkommen über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention).
Artikel 25
(1) Jeder Vertragsstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um folgende Handlungen zu verhindern und nach seinem Strafrecht zu bestrafen:
- die unrechtmäßige Entziehung von Kindern, die Opfer eines Verschwindenlassens sind, oder von Kindern, deren Vater, Mutter oder gesetzlicher Vertreter Opfer eines Verschwindenlassens ist, oder von Kindern, die während der Gefangenschaft ihrer Mutter im Rahmen eines Verschwindenlassens geboren sind;
- die Fälschung, das Verbergen oder die Vernichtung von Dokumenten, welche die wahre Identität der unter Buchstabe a bezeichneten Kinder bescheinigen.
(2) Jeder Vertragsstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um die in Absatz 1 Buchstabe a bezeichneten Kinder zu suchen und zu identifizieren und sie in Übereinstimmung mit den gesetzlich vorgesehenen Verfahren und den anwendbaren internationalen Übereinkünften in ihre Herkunftsfamilien zurückzuführen.
(3) Die Vertragsstaaten gewähren einander Hilfe bei der Suche, Identifizierung und Ermittlung des Aufenthaltsorts der in Absatz 1 Buchstabe a bezeichneten Kinder.
(4) Angesichts des Erfordernisses, das Wohl der in Absatz 1 Buchstabe a bezeichneten Kinder und ihr Recht, ihre Identität, einschließlich ihrer Staatsangehörigkeit, ihres gesetzlich anerkannten Namens und ihrer gesetzlich anerkannten Familienbeziehungen, zu behalten oder wiederherzustellen, zu schützen, sehen die Vertragsstaaten, die ein System der Adoption oder eine andere Form der Unterbringung von Kindern anerkennen, gesetzliche Verfahren vor, um das Adoptions- oder Unterbringungsverfahren zu überprüfen und gegebenenfalls jede Adoption oder Unterbringung von Kindern, die auf einem Verschwindenlassen beruht, aufzuheben.
(5) In allen Fällen, und insbesondere in Bezug auf alle Angelegenheiten, die im Zusammenhang mit diesem Artikel stehen, ist das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen, und ein Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, hat das Recht, diese Meinung frei zu äußern, die entsprechend seinem Alter und seiner Reife gebührend zu berücksichtigen ist.